Sonntag, 4. März 2018: Zweiter Lauf des Slalom-Weltcuprennens im slowenischen Kranjska Gora. Am Start steht der Walliser Ramon Zenhäusern. Nur eine gute Woche liegt sein grosser, sein «bireweicher» Triumph, wie er ihn am TV-Mikrofon bezeichnete, zurück: Silber an den Olympischen Spielen in Pyeongchang.
Jetzt ist die Batterie leer, mental und körperlich.
Ein Röhren ist zu hören. Immer wieder schlägt sich Ramon Zenhäusern in der Startbox mit der Faust auf die Brust. Dann stürzt er sich ins Rennen.
Gut 20 Sekunden dauert das Video, das Sportpsychologe Frank Trötschkes an der Veranstaltung vor Mitarbeitenden von Ammann Group und Avesco abspielt. Auf manchen mag es verstörend wirken, aber: «Das Röhren am Start war Ramons Lösung, in dieser Situation alle negativen Gedanken auszublenden, locker zu werden und alle Kräfte zu mobilisieren», erklärt Trötschkes. Zenhäusern belegte im Gesamtrennen in Kranjska Gora schliesslich den 3. Rang. «Für mich die grösste Leistung der Saison», sagt er.
«Geit nid gits nid» ist das Lebensmotto des 27-Jährigen und – passend – auch Teil des Avesco Credos. Eine unwahrscheinliche Karriere hat er hingelegt, angesichts seiner für den Spitzenskisport unüblichen Körpergrösse von 2.02 Metern.
Den eigenen Weg zu gehen, sich ausschliesslich auf das zu konzentrieren, was einem dabei hilft, erfolgreich zu sein. Ungeachtet dessen, was andere davon halten. «Das zeichnet einen Champion, einen Leader aus», erklärt Trötschkes.
Das sportpsychologische Training hat dem Spitzenathleten dabei geholfen, diese Fokussierung zu erreichen. Unter anderem mit sogenannten Hypnosetapes, besprochenen Tonaufnahmen mit Einblendungen aus Musikstücken und auch aus TV-Sportübertragungen von erfolgreichen Rennen.
«All-in»: Sehr hohe Ziele können sinnvoll sein – unter bestimmten Voraussetzungen
Obschon Zenhäusern die Sportpsychologie, den «Hokuspokus», wie er sagt, heute unter seinen Erfolgsfaktoren als «grossen Puzzlestein» bezeichnet – eine Garantie für Erfolg ist sie nicht, sondern sie erhöhe die Wahrscheinlichkeit dafür, wie Frank Trötschkes klarmachte. Im Hinblick auf Olympia hatten Ramon Zenhäusern und er vereinbart, mit dem zweiten Rang ein sehr hohes Ziel anzustreben. «All-in» nennt Trötschkes diese Herangehensweise, sich sehr hohe Ziele zu setzen. Sinnvoll allerdings ist das nur, wenn Voraussetzungen erfüllt sind, wie zum Beispiel: Urvertrauen in sich selber haben; bereits Erfolge erzielt haben; Rückschläge rasch abschütteln können.
Fünf Lektionen für das Privat- und Berufsleben
Fünf Lektionen für jede und jeden biete das Beispiel Ramon Zenhäusern, sagt Frank Trötschkes. Für das Privat- wie für das Berufsleben:
- Es ist wichtig, eine Vision bzw. Mission zu haben und sie zu verfolgen. Ganz gleich, ob andere diese als unerreichbar erachten.
- An die Spitze streben, „All-in“ gehen, kann nur, wer bereits kontinuierlich Erfolge vorweisen konnte.
- Lernen, Misserfolge und Tiefpunkte zu analysieren, einzuordnen und zu relativieren.
- Zweifeln und Ängsten begegnen und Erfolgszuversicht aufbauen durch positive Steuerung und tägliche Selbstbeeinflussung.
- Eigene Lösungen finden, Mut finden, Dinge einfach zu tun.