Unter den Herstellern von Fahrzeugen für die Baubranche ist der deutsche Anbieter Fliegl mit der Schweiz besonders verbunden: Bereits bald nach der Firmengründung im Jahr 1991 rollte der erste Auflieger über die Grenze. Heute spielt die Schweiz trotz ihrer im europäischen Vergleich überschaubaren Marktgrösse eine Schlüsselrolle, wie Inhaber und Geschäftsführer Helmut Fliegl deutlich macht.
Herr Fliegl, Sie haben Ihr Unternehmen 1991 gegründet und kamen mit den Produkten kurz darauf bereits in die Schweiz. Seit wann ist Fliegl Fahrzeugbau auf diesem Markt vertreten?
In diesem Jahr, 2023, sind wir seit rund 30 Jahren in der Schweiz präsent. Wir waren noch ein sehr junges Unternehmen, als wir das erste Fahrzeug in die Schweiz haben liefern dürfen. Oder anders ausgedrückt: Die Schweizer Unternehmen haben uns früh vertraut und sind uns seitdem treu geblieben.
Welche Bedeutung hat der Schweizer Markt für Fliegl?
Die Schweiz ist für uns ein wichtiger Markt. Ein Qualitätsmarkt. Das Qualitätslevel liegt sehr hoch. Daher ist die Schweiz für uns auch ein – wenn nicht sogar der – Benchmark für unser ganzes Produktportfolio.
Wie unterscheiden sich Schweizer Kunden von jenen in anderen europäischen Märkten?
Schweizer Kunden finden Details viel wichtiger. Und sie fragen auch gezielt nach diesen Details. Das ist in den allermeisten anderen europäischen Ländern viel weniger ausgeprägt.
Gibt es hier besondere Anforderungen? Worauf wird besonders Wert gelegt?
Das Produkt muss einen klar erkennbaren Nutzen bringen. Da wird wie erwähnt auch nachgefragt, getestet. Und unsere Schweizer Kunden informieren sich sehr gründlich. Es reicht nicht, einfach zu sagen, dass unsere Kipp- und Anfahrunterstützung Drive On eine feine Sache ist oder dass die konische Mulde bei unseren Kippern viele Vorteile bietet. Man muss es mit harten Fakten belegen.
Was ist der Fliegl Bestseller in der Schweiz?
Ganz klar: unsere Kipper. Dahinter folgen die Planenauflieger.
Sie erwähnten die Kipp- und Anfahrunterstützung Drive On, die seit rund vier Jahren auf dem Markt ist und auch in der Schweiz Resonanz ausgelöst hat (siehe Kasten). Fliegl hat diese Lösung patentiert. Geben Sie uns einen Einblick: Wie ist der Weg eines solchen Systems bis zur Marktreife?
Die Idee dazu entstand während dem Bau unseres zweiten Werkes am Standort Triptis. Wir brachten dafür insgesamt rund 250'000 Tonnen Schotter hier auf das Gelände. Ich fuhr selber einige Kipperladungen und habe dabei auch einmal einen Kipper umgeschmissen. Bei mir blieb von diesem Unfall die Frage im Kopf: Was kann man tun, damit man für derartige Situationen eine bessere Lösung hat. Das war der Start für die Entwicklung.
Wie lange dauerte es von dieser Idee bis zum patentierten System?
Rund zwei Jahre. Ein Jahr davon war Drive On bei fünf unserer Mietfahrzeuge installiert und bei Kunden in Deutschland im Feldversuch unter echten Nutzungsbedingungen im Einsatz. Die Erkenntnisse und Rückmeldungen flossen in die Entwicklungsarbeit ein.
Wie viel investiert Fliegl Fahrzeugbau generell in Neuentwicklungen?
Jedes Jahr zwei bis drei Prozent unseres Jahresumsatzes.
Wie oft entsteht aus einer Idee ein Produkt?
Ich möchte es so sagen: Jedes Jahr haben wir etwa 50 Entwicklungsprojekte, die nicht klappen. Bei jedem dieser Projekte entwickelt und probiert man ein bis drei Jahre, und stellt irgendwann fest: Das war nix. Dieser Mut, etwas zu versuchen und auch mal zu scheitern, gehört dazu, wenn man etwas nach vorn bringen will.
Welche Trends sehen Sie im baunahen Fahrzeugbau?
Mehr denn je steht die Nutzlast auf den ersten zehn Plätzen der Rangliste. Bei Kippern ebenso wie bei Tiefgängern. Eine Überladung wie man sie vielleicht noch vor zwanzig Jahren in dem meisten Fällen toleriert hätte, ist heute nicht mehr denkbar und würde schnell und hart sanktioniert. Das heisst: Die Fahrzeuge müssen immer leichter werden und gleichzeitig noch mehr aushalten.
Ihre Kinder arbeiten im Unternehmen, sind aber nicht sofort in höheren Positionen eingestiegen, sondern lernen in Ausbildungsberufen «an der Basis». Ihre Tochter etwa in der Verwaltung und Ihre beiden Söhne in der Werkstatt in Triptis. Ist Ihnen diese Bodenhaftung ein Anliegen?
Das Anliegen meiner Frau und von mir ist es, dass die Kinder hoffentlich den Betrieb dereinst weiterführen. Aber ob es so kommt, weiss man nie, bevor die Entscheidung ansteht. Aber sie haben unser Geschäft wirklich von klein auf miterlebt. Wir nahmen sie schon als Babys mit, wenn wir Messeauftritte hatten. Sie werden ihre Ausbildung fortsetzen, sind aber sehr geerdet und vor allem: Wenn sie von Anhängern oder richtiger Arbeit reden, wissen sie genau, worum es geht. Ich wage die Behauptung: Das ist nicht in allen Familienbetrieben der Fall.
Zu den Produkten: Fliegl Sattelauflieger und Anhänger
Interessiert an Avesco Lösungen für den Baustofftransport? Nehmen Sie mit uns Kontakt auf: Stefano Balduini, Leiter Baustofftransport, stefano.balduini(at)avesco.ch oder 079 310 34 77.
Fliegl: Händlerschaft in der Schweiz und Europa aufgeteilt
2019 hat die Unternehmensgruppe Fliegl ihre Händlerschaft in der Schweiz neu geordnet. Seitdem vertreibt die Avesco AG die baunahen Fahrzeuge wie Kippsattelauflieger, Tiefgänger und Tandemanhänger, während die Sigmaro GmbH aus Romanshorn die Fahrzeuge für Speditionsanwendungen betreut. Helmut Fliegl: «Der Start mit dieser neuen Organisation ist gut gelungen. Wir hoffen nun, dass wir dies weiterentwickeln und wachsen können». Der «Split» im Vertrieb wurde auch in einer Reihe weiterer europäischer Märkte durchgeführt.
Europaweit ein führender Anbieter für Nutzfahrzeuge
Kippsattelauflieger mit Stahl- oder Alumulden für Baustofftransporte, Tiefgänger oder leichte Tandemanhänger – die Fliegl Fahrzeugbau GmbH gilt als einer der grössten Anbieter von Fahrzeugen für baunahe Transportanwendungen und das Speditionswesen in Europa. Jedes Jahr fertigt das Unternehmen rund 5'300 Fahrzeuge, im Werk Triptis rollen pro Tag im Durchschnitt 25 Stück aus der Produktion. Bekannt ist Fliegl auch für seine Technologien, mit denen Unternehmen ihre Fahrzeuge effizienter betreiben können (siehe Kasten zu «Drive On»). Verkauft werden Fliegl Produkte über ein Händlernetz von ca. 30 Vertriebspartnern weltweit, wobei der Schwerpunkt auf dem europäischen Markt liegt. Fliegl beschäftigt rund 250 Mitarbeitende, der grösste Teil davon am Hauptsitz in Triptis im Bundesland Thüringen. Das Unternehmen entstand 1991 kurz nach der deutschen Wiedervereinigung, als Helmut Fliegl einen früheren volkseigenen Betrieb aus DDR-Zeiten übernahm. Zur Unternehmensgruppe der Familie Fliegl, deren Wurzeln im bayerischen Kastl liegen, gehören neben dem Fahrzeugbau auch Firmen für Agrartechnik, Bau- und Kommunaltechnik.
Drive On: Eine Lösung für die Schweiz
Unter den Fliegl Produkten hat in der Schweiz in jüngerer Vergangenheit die Kippstabilisator- und Anfahrunterstützung Drive On für Aufmerksamkeit gesorgt. Das einfache, pneumatisch betriebene Bauteil unterstützt leicht motorisierte Zugmaschinen und kann beitragen, einen Allradantrieb, eine zuschaltbare Anfahrhilfe oder einen Achsantrieb beim Auflieger zu ersetzen, indem es die Traktion verbessert. In der Schweiz mit vielen kleinen und mittelgrossen Fuhrunternehmen wird Drive On von vielen als Mittel gesehen, um schwächeren Zugmaschinen auch den Transport von schwererem Material zu ermöglichen und so deren Auslastung zu steigern.