Die Ausgangslage
Im Abwasserverband Seez haben sich die Gemeinden Flums, Mels, Quarten und Walenstadt zu einem Zweckverband zusammengeschlossen und betreiben die Kläranlage ARA Seez in Flums im Kanton St. Gallen. Die Klärgasbewirtschaftung ist naturgemäss ein wichtiges Thema. Im Jahr 2009 löste eine Mikrogasturbine das bis dahin genutzte Blockheizkraftwerk (BHKW) ab. Im Juni 2019 wurde die Mikrogasturbine dann durch ein neues BHKW von Avesco ersetzt. Es bietet 82 kW elektrische Leistung und 105 kW Wärmeleistung. Seitdem wirken für die Energieversorgung der Kläranlage drei Systemteile zusammen: das BHKW, eine im Frühling 2020 eingebaute Photovoltaikanlage und eine an das BHKW angebundene Wärmepumpe. Zusammen mit der Wärmepumpe erzielt das BHKW eine Wärmeleistung von total 128 kW.
Ziel: Autarkie bei Strom- und Wärmeenergie
Bei den Überlegungen für ein neues System liess man sich vom Ziel leiten, die gesamte Kläranlage mit selber produziertem Strom und Wärme betreiben zu können, das ganze Jahr hindurch.
Energiebedarf und Energieproduktion
Die ARA Seez hat pro Jahr einen Strombedarf von 520'000 kWh und einen Wärmebedarf von 600'000 kWh. Das neue Klärgas-Blockheizkraftwerk liefert je nach anfallendem Gasaufkommen zwischen 370'000 und 390'000 kWh Strom und 470’000 bis 500'000 kWh Wärmeenergie. Die Photovoltaikanlage produziert bis zu ca. 190'000 kWh Strom. Die Wärmepumpe kann bis zu ca. 101’200 kWh Wärmeenergie zusätzlich erzeugen. Zum Vergleich: Die Mikrogasturbine erzielte pro Jahr zuletzt eine Stromproduktion von ca. 220'000 kWh und gut 683'000 kWh Wärmeenergie. Total bietet das neue Gesamtsystem also ähnlich viel Wärmeenergie bei deutlich höherer Stromproduktion. Beat Bless, Betriebsleiter der ARA Seez: «Die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) liegt bei knapp 24 Rappen. Es ist eine schnelle Rechnung: Diese Anlage wird sich durch die höhere Stromproduktion sicher rechnen.»
Argumente für ein System mit BHKW
Über die Beweggründe für den Wechsel zurück zu einem BHKW erzählt Bless: «Die Mikrogasturbine war leider sehr wärmeempfindlich. Sommertemperaturen von deutlich über 30 Grad, wie wir sie in den vergangenen Jahren häufig hatten, führten dazu, dass wir die Anlage zeitweise sogar kühlen mussten, um den Betrieb aufrechterhalten zu können. Der elektrische Wirkungsgrad lag bei 22 bis 28%. Das war nicht zufriedenstellend. Unser neues BHKW hat bis zu 36% elektrischen Wirkungsgrad. Mit der Mikrogasturbine sank die Stromproduktion zum Schluss unter die Mindeststrommenge, die wir erzielen müssen, um die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) zu erhalten. Das gab den Ausschlag, dass wir sagten: Wir wechseln.»
Fein abgestimmtes Gesamtsystem – Gesamtwirkungsgrad von 91%
Was aber, wenn bei hohen Temperaturen mehr Klärgas anfällt und das BHKW (Klärgasverbrauch max. 36 Nm3/h) zusammen mit der Photovoltaikanlage mehr Strom produzieren würde, als benötigt wird? «Wir wählten einen sehr grossen Gasspeicher, der bis zu 1.5 Tagesproduktionen aufnehmen kann. Wenn es sehr heiss ist, verwenden wir tagsüber den Strom aus der Photovoltaikanlage und das BHKW arbeitet nicht. Nachts und wenn die Temperaturen tiefer sind, steht durch den Speicher sicher immer genügend Gas für die Stromproduktion im BHKW zur Verfügung», sagt Betriebsleiter Bless. Er und sein Team gingen sogar noch einen Schritt weiter: An das BHKW angebunden ist eine Wärmepumpe, welche die Wärme aus der verbrauchten Kühlluft des BHKWs nutzt und damit eine Heizleistung von 23 kW erzielt. Vorteil: Insgesamt steht dadurch nun viel Wärmeenergie zur Verfügung. Beat Bless: «Wir müssen den Überschussschlamm dadurch weniger oder gar nicht mehr eindicken und sparen so Kosten.» Durch BHKW und Wärmepumpe können von 223 kW Inputleistung 203 kW in der Kläranlage genutzt werden – ein Gesamtwirkungsgrad von 91%.
Notstromanlage
Im Bedarfsfall kann der gesamte Strombedarf der Kläranlage aus einer Notstromanlage vom Typ Cat C4.4 DE88E3 mit 71 kW elektrischer Nennleistung gespeist werden. Sie wurde im Oktober 2019, also kurz nach der Inbetriebnahme des BHKWs installiert. «Wir haben uns bewusst dafür entschieden, das Notstromaggregat als Anlage zu planen, die vollständig unabhängig vom übrigen System ist», sagt Beat Bless. Alternativ hätte das BHKW auch als notstromfähiges Blockheizkraftwerk ausgelegt werden können.
Zwischenbilanz
BHKW – Photovoltaik – Wärmepumpe: Mit diesem Dreiklang steuert die ARA Seez nun seit bald zwei Betriebsjahren ihren Strom- und Wärmebedarf. Von Juni 2019 und bis März 2021 hatte das Gesamtsystem 820'105 kWh Strom produziert. Die Kosten für den Unterhalt sind gemäss Beat Bless gegenüber der Mikrogasturbine annähernd identisch. «Dieses System ist sehr stabil. Egal ob die Sonne scheint, es regnet oder schneit. Es funktioniert immer. Das ist ein markanter Vorteil, zusätzlich zum hohen Wirkungsgrad.» Seine Zwischenbilanz fällt denn auch sehr positiv aus: «Es läuft gut. Eine perfekte Sache!»
«Médaille d’eau» für energetisches Konzept
Für ihr energetisches Konzept wurde die ARA Seez im Jahr 2018 vom Fachverband Infrawatt und dem Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute (VSA) mit dem Preis «Médaille d’eau» für energieeffiziente Kläranlagen ausgezeichnet. Gewürdigt wurden damit u.a. die Verbesserung der Energieeffizienz, die Steigerung der erneuerbaren Energieproduktion und die Ausbildung und Einbindung des Personals, auf die die ARA Seez grossen Wert legt.
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